Donnerstag, 26. Mai 2011

And yet another adventure

Derzeit reise ich in Sindh auf der Suche nach neuen Projektregionen. Sindh ist ganz anders organisiert als Punjab. Hier haben große Feudalherren das Sagen, die administrativen Strukturen sind sehr schwach. Ein guter Freund meines Projektkoordinators hat hier zehntausende Hektar an Land. Er ist extrem bemüht um die Bevölkerung auf seinem Land -möchte ihnen helfen. Gewöhnlich ist es eher problematisch mit Feudalherren zusammenzuarbeiten, da immer ein gewisses Risiko besteht, dass die Begünstigten aus den Häusern geworfen werden. Bei Mohammad Malook habe ich ein gutes Gefühl.
Der erste Halt ist in einem Dorf wenige Kilometer von der Autobahn entfernt. Dort gibt es zwei Schulen. Die Kinder sind aufgeweckt. Interessiert an mir. Sie zeigen mir wie man sich die Hände wäscht – der Lehrer hat es ihnen offenbar oft vorgemacht. Sie wissen genau wie man vorgeht. Alle haben eine Zahnbürste.  Zahnbürste und Seife werden von einer NGO bereit gestellt. Ich lasse die Kinder das Alphabet aufsagen – sie sind zuckersüß. Auch wenn der Unterricht nur unter einem Strohdach stattfindet – dies hier ist eine Vorzeigeschule.
Zusammen mit dem Feudalherren und meinen Partnern fahre ich tiefer ins Nichts - in unfassbar abgelegene Dörfer. Keine Straßen, das Land ist flach, keine Orientierungsmöglichkeiten. Staub, Staub und noch mehr Staub.  Ohne dem Feudalherren ist es beinahe unmöglich hier unterwegs zu sein, da die Sicherheitslage zu gefährlich ist. Es kommt häufig zu Entführungen und Lösegeldforderungen.
Im letzten Winkel Khairpurs (Sindh) steigen wir aus unserem riesigen Land Cruiser. Die Männer im Ort empfangen uns. Ich fange an mit dem Dorfältesten zu reden. Er hat drei Ehefrauen und zwanzig Kinder – vierzehn Mädchen und sechs Buben. Schulen gibt es keine. Hauptsächlich interessieren mich Baumethoden, Hygienegewohnheiten, Trinkwasser und der Zugang zum Markt. Im Ort gibt es einen funktionierenden Brunnen, den die Regierung dort errichtet hat. Leider haben sie nicht tief genug gebohrt. Das Wasser ist zwar klar, aber kontaminiert. Durchfall-, und Hauterkrankungen plagen die Bevölkerung. Oder eigentlich nicht – diese Krankheiten gehören einfach zum Alltag. Nachdem ich meinen Fragenkatalog abgearbeitet habe, frage ich was sie am dringendsten brauchen. Die Antwort der Männer ist klar – Strom. Wir wollen Strom. Ach, und ein Haus. Momentan laden sie ihre Mobiltelefone an der Batterie eines Mopeds auf.
Als Frau darf ich auch das eigentliche Dorf betreten – meine männlichen Projektpartner müssen draußen bleiben. Ich habe das Privileg mit den Frauen und Kindern zu sprechen. Als ich die Frauen frage was sie am nötigsten brauchen ist die Antwort eine andere. Wasser. Wir brauchen gesundes Wasser und ein Dach über dem Kopf. Die Menschen leben in Konstruktionen aus Holzstangen und Stroh. Sie sind dem Wetter schutzlos ausgeliefert. Außerdem ist es für Frauen problematisch ‚die Toilette‘ zu benutzen. ‚Die Toilette‘ ist einfach ein freies Stück Land direkt hinter dem Dorf – die Frauen fühlen sich nicht sicher. Sie können nicht gehen solange Männer im Dorf sind – können keine intimen Körperteile enthüllen, sich auch nicht waschen. Sie müssen warten bis keine Männer in der Nähe sind.
In Zentral- Sindh ist die Frau die treibende Kraft im Haus. Nicht nur, dass sie die Kinder erzieht, kocht, Feuerholz sammelt und den Haushalt in Ordnung hält – hier macht sie auch die Feldarbeit. Faszinierend.
Momentan wird auf den Feldern jedoch nichts angepflanzt. Kilometerweit nichts als Büsche und die Überreste der Weizenernte. Gewöhnlich gibt es in Pakistan zwei Erntezyklen. Im Frühling wird Weizen angebaut, im Sommer dann Baumwolle, beziehungsweise abhängig von der Region auch Reis, Zuckerrohr, Datteln und Sonnenblumen. Die Bevölkerung in Khairpur ist allerdings so traumatisiert von der letzten Flut, dass sie sich weigert die so genannten Cash-Crops zu pflanzen. Weizen dient in erster Linie der Ernährung. Baumwolle bringt etwas Geld ins Haus. Die Setzlinge würden ihnen vom Feudalherren zur Verfügung gestellt werden – aber keiner wagt es. Alle fürchten das Wasser. Ich kann mir gar nicht vorstellen wie es hier noch vor wenigen Monaten ausgesehen haben muss. Wie gesagt, die Gegend ist flach – nicht einmal am Horizont sieht man einen Hügel. Das alles soll 9 Fuß unter Wasser gestanden haben?  Nur mit dem Boot zugänglich? Unvorstellbar. Wahrlich unvorstellbar.

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