Montag, 21. März 2011

Die vergangene Woche im Überblick


So, endlich komme ich wieder dazu euch ein Update zu schicken.

view from my hotel room in Karachi
Nachdem ich vor 10 Tagen von Rahim Yar Kahn aufgebrochen bin, habe ich mich für drei Tage in Karachi (deutsch Karatschi) aufgehalten. Karachi ist die größte Stadt Pakistans mit ca. 18 Millionen Einwohnern und vielen Migranten – vor allem aus Afghanistan. An dem Tag als ich nach Karachi kam veröffentlichte der Surpreme Court ein Urteil, welches die Absetzung des Vorsitzenden des National Accountability Bureaus (NAB), aufgrund korrupter Praktiken, anordnete. Politische Parteien schrien danach auf, dass dies keine Sache für Gerichte sei, sondern eine rein politische Angelegenheit. Die einzelnen Parteien bedienten sich daraufhin bewaffneter Gruppen – es kam es während der drei Tage an denen ich mich in Karachi aufhielt,  in den Abendstunden zu mehreren gezielten Straßenschlachten, bei denen 18 Menschen den Tod fanden. Dutzende weitere wurden verletzt, Fahrzeuge wurden in Brand gesetzt. Am Samstag fanden einige der Kämpfe in der Nähe meines Hotels statt – ich konnte die Schüsse von meinem Bett aus hören, aber ich war zu jedem Zeitpunkt sicher. Man kümmert sich wirklich gut um mich.

Ich habe in Karachi unter anderem einige Schulen besucht, vor allem in den ärmeren Gebieten am Stadtrand. Ein guter Teil der Schulen enden nach der 3. bzw. 4. Schulstufe, da die Eltern ihre Kinder aus der Schule nehmen, damit diese zur Einkommensgenerierung beitragen können. Die Qualität des Unterrichts ist verbesserungsfähig. Die Wände der Schulen wurden von Schülern und Lehrern liebevoll dekoriert. Die Farben von aufgemalte Giraffen, Elefanten und Schmetterlingen blitzen in der Sonne. Daneben haben Lehrer und Schüler englische Gedichte geschrieben. Die Wände strotzen vor Grammatik-, und Rechtsschreibfehlern (ja ich weiß eh, dass ich mich da selbst an den Ohren nehmen muss, aber ich bin auch kein Lehrer). Wie ich an dieser Stelle bereits geschrieben habe, erfahrt die Mehrheit der Lehrer keine formelle Ausbildung.
Wirklich bedauerlich ist jedoch, dass direkt (25 m) neben beiden Schulen voll eingerichtete und funktionsfähige, staatliche Schulen stehen. Auf dem Papier laufen diese sogar, die Realität ist allerdings, dass die Lehrer zwar ihre Gehälter bekommen, aber keinen Unterricht abhalten. Die Tore der Schule bleiben einfach geschlossen, das Geld fließt. Niemand beschwert sich darüber. Man nimmt dies als Tatsache zur Kenntnis.

upper left: mobile medical camp
lower right: podium in the pavilion
Nachdem ich mich einen Tag in Islamabad aufgehalten hatte, fuhr ich in unsere zweite Projektregion nach Layyah. Hier ist das Projekt schon sehr weit fortgeschritten. Wir haben zusammen mit unseren lokalen Partnern eine Schule für 400 Buben saniert und ausgestattet. Weiters wurden zwei Basic Health Units (Gesundheitszentren) saniert, mit Medikamenten und medizinischem Equipment ausgestattet. Außerdem wurden erfahrene Ärzte, Krankenschwestern und Hebammen eingestellt. Mobile Kliniken fahren in abgelegene Dörfer, wobei die Ankunft der mobilen Teams über die Lautsprecher der nächsten Moschee verkündet wird. Der Andrang in den Basic Health Units und den mobilen Kliniken ist enorm. An die 200 Menschen werden täglich behandelt, die momentan am meisten verbreiteten Beschwerden sind Atemwegserkrankungen (mehr als 90% der Frauen rauchen eine Art Shisha). Mit der kommenden Monsunzeit wird sich das Hauptproblem zu den Malariafällen verlagern. Beide Klinken haben einen Mutter-Kind Schwerpunkt und wurden mit einem Entbindungssaal ausgestattet. Bis zu diesem Zeitpunkt haben Frauen ihre Kinder auf einem alten Holztisch geboren, entsprechende Werkzeuge waren nicht vorhanden.
Als ich die dicht gedrängten Wartezimmer der Gesundheitszentren betrat, wurde ich von Frauen eingekreist, die mir ihre unterernährten Kinder unter Augen hielten und um Essen baten. Leider kann ich nicht mehr tun, als ab und an ein weinendes Kind auf den Arm zu nehmen. Die ganze Zeit steht man im Blitzlichtgewitter – leider brauchen wir das für Dokumentationszwecke. Danach werden die Frauen von schwer bewaffneten Polizisten, die mich in Layyah auf Schritt und Tritt begleiteten, sachte beiseitegeschoben.

In den restlichen Mittelschulen dieses Bezirks führen unsere Medi-Teams medizinische Untersuchungen durch und erheben Daten . Vor allem der Hygienezustand der Kinder ist alarmierend. In vier Schulen wurde ich aufgefordert Pakete mit Chips und Keksen an die Kinder zu verteilen. In einigen Klassen wurden Kinder zum Applaudieren animiert. Ich bin mir nicht sicher für wen diese Situation  demütigender war.
Abends wurde ich spontan zu einer Bootsfahrt auf dem Indus eingeladen, da eines der mobilen Medi-Camps gerade in der Nähe des Flusses unterwegs war. Im Schneckentempo näherte sich der Holzkahn während sich am Horizont die Sonne senkte. Kurz musste ich schmunzeln, weil ich mir die Frage stellte, was meine fünf Polizisten denn nun machen würden wenn ich auf dieses Boot steige. Problem gelöst: alle, inklusive anwesender Bevölkerung, Polizisten und was sonst noch so auf Noahs Arche zu finden war, wurden auf das Boot verladen und es ging dem Sonnenuntergang entgegen. Ein spektakuläres Erlebnis. Einfach unbeschreiblich.

sailing the Indus
Am Freitag fand eine große Zeremonie statt, bei der den beteiligten Organisationen für ihren Einsatz gedankt wurde. Die Feier fand in einem wunderschönen, bunten Stoffzelt statt, Politiker, Printmedien und Fernsehsender waren anwesend. Schüler haben gesungen, unzählige Personen, einschließlich mir (allerdings nur sehr kurz ;-)), haben Reden gehalten. Danach kam es zur zeremoniellen Überreichung von Vieh und Dünger. Das ganze fand am Gelände unserer Jungen Schule statt. An den Toren der Schule findet sich übrigens eine Plakette mit den Namen aller Organisationen, die dieses Projekt möglich gemacht haben. Ich bin sogar namentlich genannt – völlig unverdient. Aber eine schöne Geste.

 Bizarr ist das Ganze allerdings schon. Erst ist man RP bei Gericht und ein paar Wochen später steht man auf einem Podium und Politiker bedanken sich für den Einsatz. Wenn sich mein Leben hier nicht so real anfühlen würde, könnte man fast an der Wirklichkeit zweifeln. 

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